Positionierung der AWWR zur Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten

Ende 2010 wurde durch Zeitungsveröffentlichungen bekannt, dass die Erkundung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen im großen Stil betrieben werden soll. Es wird untersucht, ob das Gas, das in Schiefer- oder Sandstein oder in der Kohle eingeschlossen ist und erst durch spezielle Bohrverfahren („hydraulic fracturing“, kurz: „Fracking“) erschlossen werden muss, technisch und wirtschaftlich gewinnbar ist.

Die 20 in Nordrhein-Westfalen zum Zwecke der Erkundung bereits zugelassenen Aufsuchungsfelder erstrecken sich etwa über die halbe Landesfläche und überlagern Wasserschutzgebiete, u. a. auch die der Wasserwerke an der Ruhr. Weitere Felder sind beantragt. Die Mitglieder der AWWR sind konkret betroffen von dem 2.500 km² großen Feld „Ruhr“ der Wintershall Holding GmbH, dessen nördliche Grenze in etwa mit dem Ruhrverlauf zusammenfällt, und von dem beantragten Feld „Falke-South“ der BNK Deutschland GmbH, das an die östliche Grenze des Wintershall-Gebietes anschließt und über Brilon und Teile des Sauerlandes bis hin nach Paderborn und den Bezirk Detmold reicht .

In den Vereinigten Staaten von Amerika werden diese Lagerstätten bereits seit mehreren Jahren mit Erfolg ausgeschöpft. Es sind bereits tausende von Bohrungen niedergebracht worden. Dabei ist bekannt geworden, dass Schäden und Gefährdungen eingetreten sind, wie die Zerstörung von Deckschichten, die Gefährdung von Wasserversorgungsanlagen oder unkontrolliertes Austreten von Gas. Beim Aufbrechen des Gesteins durch das Fracking werden an der Bohrstelle neben Wasser (7.500 bis 15.000 m³) vor allen Dingen große Mengen an Chemikalien (1.000 bis 3.500 t) eingesetzt, deren Substanzen z. T. als giftig, wassergefährdend, karzinogen oder mutagen eingestuft sind. Der Einfluss der Chemikalien im Untergrund und das Langzeitverhalten der Bohrabdichtungen sind derzeit unzureichend untersucht.

Die eingesetzten Chemikalien werden im Zuge der Gasgewinnung gemeinsam mit dem in der Lagerstätte befindlichen Formationswasser gehoben und abgeschieden. Das dabei anfallende Abwasser enthält Biozide, Radionuklide, Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe, wie Dieselöl und Petroleum. Das Problem der Entsorgung dieser Abwässer ist noch nicht hinreichend gelöst. 

In Frankreich hat man das Verfahren angesichts der Gefahren bereits vorsorglich per Gesetz verboten. In Nordrhein-Westfalen werden im Moment keine Bohrungen dieser Art zugelassen und ein im Herbst von der Landesregierung noch zu beauftragendes Gutachten soll Antworten zu den zahlreichen offenen Fragen über die Umweltauswirkungen liefern. Zudem muss seit Anfang des Jahres 2011 für die Niederbringung derartiger Bohrungen eine wasserrechtliche Erlaubnis beantragt werden.

Die vorhandenen Gasreserven reichen aus, den derzeitigen und zukünftigen Weltbedarf der nächsten Jahrzehnte zu decken. Es bleibt genügend Zeit, umweltverträgliche Methoden zur Gewinnung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten zu entwickeln. Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr begrüßt die ersten Schritte in NRW zur Klärung der offenen Fragen. Jetzt kommt es darauf an, die Inhalte des Programms „Reine Ruhr“ zur Verbesserung der Gewässer- und Trinkwasserqualität an der Ruhr, insbesondere die Vermeidung von Belastungen an der Quelle, konsequent auch in Bezug auf die Gasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten umzusetzen. Die Erfahrungen aus dem PFT-Schadensfall im Ruhreinzugsgebiet haben gezeigt, dass lokale Ausbringungen von Schadstoffen große Auswirkungen auf das gesamte Einzugsgebiet und die dortige Trinkwasserversorgung haben können. Die Wasserversorgungsunternehmen an der Ruhr sind deshalb im Hinblick auf die Gewinnung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten sensibilisiert und fordern bei allem Verständnis für die Nutzung heimischer Energiequellen weitere Maßnahmen zum Schutz der Wasserressourcen und der Umwelt bei der Aufsuchung und Förderung des Gases:
 

  1. Vorrang für die Trinkwassergewinnung vor der Rohstoffgewinnung,
  2. Beibehaltung der wasserrechtlichen Erlaubnis für die Bohrvorhaben und Einvernehmen mit den Wasserbehörden und Wasserversorgern,
  3. obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung der Bergbauvorhaben einschließlich der Beachtung von Summeneffekten einzelner Gefährdungen,
  4. Schaffung von Strukturen und Standards zur intensiven Überwachung der Bergbauvorhaben,
  5. Änderung des Bundesberggesetzes (BBergG) hinsichtlich der Beachtung von Ausschlussgebieten und der Beteiligung Betroffener,
  6. Aufrechterhaltung der Schutzfunktion der Deckschichten und dichte und fachgerechte Bohrungen,
  7. fachgerechte Aufbereitung und Entsorgung des Frack- und Formationswassers,
  8. Offenlegung der eingesetzten Chemikalien, Verzicht auf wassergefährdende Substanzen bei den Bohrverfahren,
  9. Erstellung von Notfallplänen und Haftung bei Schäden bzw. ausreichender Versicherungsschutz,
  10. Festlegung von sensiblen Ausschlussgebieten im Ruhreinzugsgebiet, in denen die Aufsuchung und Förderung nicht zugelassen werden kann, wie z. B. Wasserschutzgebiete und Einzugsgebiete von Wasserge-winnungsanlagen, ehemalige Steinkohle- und Erzbergbaugebiete mit unkontrollierbaren Wegsamkeiten und Erdbewegungen.

 

Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) ist ein freiwilliger Zusammenschluss von 19 Wasserversorgungsunternehmen, darunter auch die Hochsauerlandwasser GmbH. Sie versorgen rund fünf Millionen Menschen, Gewerbe und Industrie an der Ruhr und teilweise darüber hinaus mit mehr als 260 Millionen Kubikmetern Trinkwasser pro Jahr. Wenn es um wasserwirtschaftliche Belange im Ruhreinzugsgebiet geht, tritt die AWWR als Interessenvertreter für den Fluss ein. 

Im Sinne des vorbeugenden Gewässerschutzes steht für die AWWR der Lebensraum Ruhr im Mittelpunkt. Denn Trinkwasser ist ein Naturprodukt und muss es auch bleiben. Es bleibt ein Ziel der Wasserversorger von Olsberg bis Mülheim, mit weitgehend natürlichen Aufbereitungsverfahren, Ruhrwasser zu Trinkwasser aufzubereiten.